Großes Kino: die QUEER-Reihe in der ARD ab 20. Juni die Sommer-Filmreihen jenseits der Hetero-Norm
Unter dem Titel rbb QUEER präsentiert das rbb Fernsehen seit 2018 eine eigene Filmreihe jenseits der Hetero-Norm. Der BR setzt mit BR QUEER seit 2022 ebenfalls einen starken Fokus auf das queere Kino. Im vergangenen Jahr schloss sich der WDR mit WDR QUEER der Initiative an. Besonders erfolgreich waren die Reihen in der ARD Mediathek, wo die Filme 2023 insgesamt über 2,6 Millionen Abrufe erzielten. 2024 erweitert erstmals ONE mit ONE QUEER das Filmangebot in den ARD-Programmen und in der Mediathek.
Einundzwanzig Filme - zwei Serien - elf deutsche Erstausstrahlungen
Vom 20. Juni bis 25. Juli 2024 präsentieren das BR Fernsehen (jeweils donnerstags um 23.15 Uhr) sechs und das rbb Fernsehen vom 18. Juli bis 29. August (jeweils donnerstags um 23.30 Uhr) sieben queere Filme. Das WDR Fernsehen zeigt zwischen dem 11. Juli und 29. August donnerstags ab 23.00 Uhr drei Spielfilme jenseits der Hetero-Norm. Bei ONE sind vom 13. Juli bis 10. August ab 21.40 Uhr freitags und samstags fünf queere Filme und zwei Serien zu sehen. Elf der insgesamt einundzwanzig Filme der aktuellen Sommerreihen sind deutsche Erstausstrahlungen.
Die Zuschauer:innen erwartet wieder großes Kino mit berührenden Liebesgeschichten, mitreißenden Coming-of-Age-Filmen und bewegenden Außenseiter:innen-Porträts. Nach der Ausstrahlung stehen die Filme und Serien jeweils für 30 Tage in der ARD Mediathek.
rbb-Programmdirektorin Martina Zöllner: "Der rbb setzt auch 2024 sein Engagement für die Vielfalt des queeren Kinos fort. Mit unserer Sommerfilmreihe rbb QUEER bieten wir erneut ein facettenreiches Angebot an herausragenden Produktionen und deutschen Erstausstrahlungen in der ARD Mediathek und im Fernsehen. Wir freuen uns, dass die Auswahl in diesem Jahr noch umfangreicher ist und wir mit ONE einen neuen Partner gewinnen konnten, nachdem bereits der BR und WDR Teil dieser Initiative sind. Die Filmreihe wurde 2018 vom rbb ins Leben gerufen, um die Vielfalt queerer Lebensrealitäten in unserer Gesellschaft auch im Programm zu spiegeln. Dieses Engagement halten wir auch weiterhin hoch."
BR-Programmdirektor Kultur Björn Wilhelm: "BR QUEER gehört längst zu den Highlights des Sommerprogramms des Bayerischen Rundfunks. Über 2,6 Millionen Abrufe für die vom rbb initiierte Reihe in der ARD Mediathek im letzten Jahr belegen eindrucksvoll, wie sehr das Publikum diese Gemeinschaftsinitiative schätzt und wie erfolgreich eine gemeinsame Kraftanstrengung innerhalb der ARD sein kann. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir auch in diesem Jahr wieder dabei sind und über Sender-, Landes- und Mediengrenzen hinaus sorgfältig kuratiertes Programm für alle Menschen anbieten - 2024 sind es nun schon 21 herausragende Filme sowie zwei starke Serien, die spannende und authentische Geschichten aus queeren Lebenswelten erzählen."
Jakob Kijas, Geschäftsführer von Salzgeber, ergänzt: "Es ist eine große Freude zu sehen, wie die queere Filminitiative des rbb jedes Jahr wächst und sich ihr immer mehr ARD-Sender anschließen. Besonders begeistert mich die gemeinsame Entscheidung, die Reihe prominent in der ARD Mediathek zu platzieren. Mehr queere Filme, die im Schnitt länger in der ARD Mediathek zu sehen sind, bedeuten eine größere Sichtbarkeit für queere Figuren und Geschichten - und damit eine authentischere und breitere Repräsentation unserer diversen Gesellschaft. Das vielfältige Angebot in diesem Jahr verspricht wieder einen Sommer der filmischen Entdeckungen!"
Queeres Erwachen
Schmetterlinge im Bauch, Coming-out und das erste Mal. Das nicht-heteronormative Kino ist reich an Geschichten über das Heranwachsen - und darüber, wie sich das queere Erwachen vom heterosexuellen unterscheidet. In diesem Jahr finden sich gleich sechs Coming-of-Age-Filme im queeren Filmprogramm der Sender, vier davon sind aus der weiblichen Perspektive erzählt.
"Girls Girls Girls" (BR, 20. Juni), der Eröffnungsfilm von BR QUEER, erzählt von den drei Freundinnen Rönköö, Mimmi und Emma, die sich auf die Suche nach der ersten großen Liebe machen. Es geht um unbändigen Lebenshunger und die Lust auf super-guten Sex, um Rückschläge und Verletzungen - und das Gefühl, dass man einem anderen Menschen so nah sein will, dass es nicht reicht, nur seine Haut zu berühren. Der wilde Freundinnenfilm der finnischen Regisseurin Alli Haapasalo wurde in Sundance mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
Mitreißend und temporeich erzählt Marion Desseigne Ravel in ihrem Debütfilm "Besties" (rbb, 1. August) eine moderne, raue "Julia und Julia"-Variante in einem Pariser Vorort: Nedjma und Zina gehören verfeindeten Gangs an - und verlieben sich ineinander. Tagsüber prügeln sie sich, nachts liegen sie sich in den Armen. Authentisch und stets dicht an ihren Figuren, ist "Besties" eine echte Perle des jungen queeren Kinos aus Frankreich.
Ein intimes und sensibel erzähltes Coming-of-Age-Drama ist auch "Mein erster Sommer" (BR, 18. Juli). Die australische Regisseurin Katie Found begleitet darin zwei Außenseiterinnen, die in der sonnendurchfluteten Abgeschiedenheit eines abseits gelegenen Hauses das Glück zu zweit entdecken. Ein lichtdurchfluteter Erweckungsfilm, erzählt in verträumten Bildern.
"Raus aus Åmål" (rbb, 29. August) von Lukas Moodysson zählt noch immer zu den schönsten Coming-of-Age-Filmen der 1990er-Jahre: Agnes lebt in Åmål, einem schwedischen Kaff, in dem nie etwas passiert und aus dem sie auch unbedingt so schnell wie möglich weg will. Bis Elin sie auf einer Geburtstagsparty plötzlich küsst. Auf einmal gibt es ganz viele Gründe, in Åmål zu bleiben!
Die beiden Coming-of-Age-Filme mit männlichen Hauptfiguren kommen aus Frankreich - und sie scheuen sich nicht, von tiefen Verletzungen zu erzählen: In "Der Gymnasiast" (rbb, 25. Juli) von Christophe Honoré ("Chanson der Liebe", "Sorry Angel") kann es der 17-jährige Lucas kaum abwarten, endlich nach Paris zu ziehen. Doch ein tragischer Unfall reißt den hoffnungsvollen Blick des Teenagers auf die Welt in Stücke. Neben den Kinostars Vincent Lacoste und Juliette Binoche glänzt Newcomer Paul Kircher, der für seine atemberaubende Leistung beim Filmfestival in San Sebastián als Bester Darsteller ausgezeichnet wurde. In "Jonas - Vergiss mich nicht" (rbb, 15. August) ist es kein Unfall, sondern ein Verbrechen, das mit traumatischer Wirkung das Heranwachsen eines schwulen Teenagers prägt. In der Hauptrolle brilliert Félix Maritaud ("Sauvage", "120 BPM"), einer der angesagtesten jungen Darsteller des europäischen Kinos.
Queere Selbstermächtigung
Auf das Erwachsenwerden folgt in vielen queeren Biografien die Selbstermächtigung - also die selbstbewusste Behauptung gegenüber einem repressiven Umfeld. Auch davon handeln mehrere Filme der queeren Filmreihen.
Packend und authentisch erzählt Georgia Oakley in "Blue Jean" (rbb, 18. Juli), dem Eröffnungsfilm von rbb QUEER, vom komplizierten Coming-out einer jungen Lehrerin im England der späten 1980er-Jahre. Der Film porträtiert eine zutiefst repressive Zeit in Großbritannien, in der die Leben von zahllosen Lesben und Schwulen durch politische Entscheidungen maßgeblich eingeschränkt oder gar zerstört wurden. Zugleich zeugt "Blue Jean" aber auch von der widerständigen Kraft einer queeren Gemeinschaft, die sich in Opposition gegen die Politik der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher erst richtig formierte.
Für ihre Liebe müssen auch Delphine und Carole in "La belle saison - Eine Sommerliebe" (WDR, 11. Juli) kämpfen. Die beiden lernen sich im Paris der 1970er-Jahre kennen. Ihre stürmische Affäre wird jäh unterbrochen, als Delphines Vater schwer erkrankt und sie aufs Land zurückkehren muss. Von Sehnsucht getrieben beschließt Carole, ihren langjährigen Freund zu verlassen und Delphine zu folgen. Doch wie offen können die Frauen auch in der Provinz ihre Liebe leben?
"Wet Sand" (BR 25. Juli) spielt in einem Dorf am Schwarzen Meer in Georgien, mit freundlichen Menschen, die glauben, sich zu kennen. Eines Tages wird Eliko erhängt aufgefunden. Seine Enkelin Moe reist aus der Stadt an, um die Beerdigung zu organisieren - und stößt auf ein Netz aus Lügen, das sich über zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit spannt. Regisseur:in Elene Naveriani gibt den Außenseiter:innen des ländlichen Georgiens eine Stimme, ihr Debütfilm ist ein Manifest gegen Homophobie und wurde dafür beim Filmfestival Locarno gefeiert.
Auch in Polen müssen queere Menschen noch immer für ihre Freiheit kämpfen. Inspiriert von Filmen wie "God's Own Country" und "Brokeback Mountain" erzählt "Elefant" (BR, 11. Juli) von der ersten Liebe und Selbstwerdung eines jungen schwulen Mannes inmitten einer rauen, aber atemberaubend schönen Landschaft. Regisseur Kamil Krawczycki hat den Film an Originalschauplätzen in seiner Heimat am Fuße des Tatra-Gebirges gedreht. Eine leidenschaftliche Geschichte, die Mut und Hoffnung macht.
In "Das Blau des Kaftans" (WDR, 18. Juli), der in Marokko spielt, wird zunächst nur im Geheimen schwul begehrt: Halim und seine Frau Mina betreiben eine traditionelle Schneiderei in der Medina von Salé. Als Mina krank wird und der junge Lehrling Youssef im Geschäft anfängt, um Halim bei der Arbeit zu unterstützen, bricht sich in dem Kaftanschneider eine lange unerfüllte Sehnsucht Bahn. Ein elegant inszeniertes und fein gespieltes Kammerspiel über queere Liebe in Nordafrika.
Wie lebt man als schwuler Mann in Israel - davon erzählen gleich zwei Filme: Idan Haguel zeigt in "Concerned Citizen" (rbb, 22. August) einen jungen Mann, der mit seinem Partner in Tel Aviv wohnt und sich für ziemlich liberal hält. Doch dann löst eine eigentlich gut gemeinte Tat eine Kette von Ereignissen aus, die sein Selbstbild aus den Fugen treibt. Die satirische Parabel hält unhinterfragten Privilegien und tiefsitzenden Vorurteilen einen Spiegel aus bitterbösem Humor vor. Im olympischen Sommer darf zudem ein Sportdrama nicht fehlen: Um das Ticket für Olympia zu bekommen, muss sich der ehrgeizige Nachwuchsschwimmer Erez in "Der Schwimmer" (BR, 27. Juni) erst noch beim Vorentscheid durchsetzen, der vom israelischen Schwimmverband in einem abgelegenen Trainingscamp veranstaltet wird. Die Konkurrenz in hautengen Speedos ist hart. Doch die schwerste Prüfung stellt sein bildhübscher Mitbewerber Nevo dar, in den sich Erez gegen alle Warnungen mit Haut und Haar verliebt.
Auch zwei Meilensteine des zeitgenössischen trans* Kinos finden sich im Programm: In "Eine fantastische Frau" (BR, 4. Juli) erzählt der chilenische Regisseur Sebastián Lelio die Geschichte der trans* Sängerin Marina, die ihr Geld als Kellnerin verdient. Als ihr Partner stirbt, muss sie sich gegen perfide Anfeindungen behaupten und darum kämpfen, um ihren Geliebten trauern zu dürfen. Für das mitreißende Drama wurde Lelio vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Auch die kanadische Regisseurin Luis De Filippis zeichnet mit "Something You Said Last Night" (rbb, 8. August) ein vielschichtiges Figurenporträt und bricht dabei mit mehreren Narrativen der Darstellung von trans* Menschen im Kino. Vor dem Hintergrund der schwülen Langeweile eines Familienurlaubs erzählt sie vom widersprüchlichen Wunsch der jungen trans* Frau Ren, gleichzeitig unabhängig und umsorgt zu sein. Ren wird von ihrer Familie in ihren Eigenheiten geliebt und als Tochter und Schwester wahrgenommen - die Frage, was sie genau mit ihrem Leben machen möchte, ist damit aber natürlich noch nicht geklärt.
Queere Stars
Queeres Kino funkelt - nicht nur mit fabelhaften Figuren und Geschichten, sondern auch mit seinen Stars. Und von denen gibt es in diesem Jahr in den queeren Filmreihen einige (wieder) zu entdecken.
Hugh Grant wurde 1987 mit "Maurice" (ONE, 3. August) zum Star - und zum schwulen Männerschwarm. In dem schwulen Liebesdrama von James Ivory, das auf dem gleichnamigen Roman von E. M. Forster basiert, verdreht er als lasziver junger Adeliger Clive Durham im edwardianischen England der Titelfigur den Kopf. 40 Jahre später spielt Grant in der Miniserie "A Very English Scandal" (ONE, 2. August) den britischen Politiker Jeremy Thorpe, Vorsitzender der Liberalen Partei, der ein Geheimnis hat, das er unbedingt verbergen will. Solange sein überaus indiskreter Ex-Geliebter Norman Scott, dargestellt von Ben Whishaw ("Q" aus den letzten James-Bond-Filmen), in der Nähe ist, steht Thorpes glänzende Karriere auf dem Spiel. Die Serie geht auf die in Großbritannien berüchtigte Thorpe-Affäre zurück: die schockierende wahre Geschichte über den ersten britischen Politiker, der 1979 wegen Verschwörung zum Mord vor Gericht stand.
Viele kennen die ikonische, stilbildende Kunst von Tom of Finland, aber nur wenige die Geschichte des Mannes dahinter. Im Finnland der 1950er-Jahre kann er als Homosexueller weder lieben, wen er will, noch sich selbst verwirklichen. Immer der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt, findet Touko Zuflucht im Zeichnen homoerotischer Bilder. Dome Karukoski erzählt im spannenden Biopic "Tom of Finland" (ONE, 13. Juli) das Leben und die Arbeit einer der einflussreichsten Figuren der Schwulen-Kultur des 20. Jahrhunderts.
Ein Regiestar des queeren Kinos ist Xavier Dolan, der seit seinem im Alter von 19 Jahren gedrehten Debütfilm "I Killed My Mother" als Wunderkind gilt. WDR und ONE zeigen die beiden jüngsten Regiearbeiten des Kanadiers: das schwule Liebesdrama "Matthias & Maxime" (WDR, 29. August) und die fünfteilige Miniserie "Die Nacht, als Laurier erwachte" (ONE, 9. August), die von einer Familie erzählt, die durch ein Trauma aus der Vergangenheit bedroht wird.
"Ein Kind wie Jake" (ONE, 27. Juli) ist starbesetztes Hollywoodkino mit queerer Botschaft: Claire Danes und Jim Parsons spielen Alex und Greg Wheeler, ein glückliches Paar im angesagten Brooklyn. Dass sich ihr vierjähriger Sohn Jake für Puppen interessiert und gerne Tüllröcke anzieht, ordnen sie zunächst dem kindlichen Spieltrieb zu. Doch dann wird immer deutlicher, dass Jake anders ist als seine Freunde im Kindergarten.
François Ozons "Peter von Kant" (ONE, 20. Juli) ist eine Hommage an Rainer Werner Fassbinder und war der Eröffnungsfilm der Berlinale 2022. In seiner Neuinterpretation von Fassbinders "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" aus dem Jahr 1972 folgt Ozon der ursprünglichen Konstellation und Handlung zu weiten Teilen, tauscht jedoch die drei lesbischen Frauen gegen drei Männer aus.
Und zum Abschluss seiner Reihe setzt ONE einem der größten queeren Stars des Independent-Kinos ein Denkmal. Für prägnante Nebenrollen drehte Udo Kier mit Fassbinder, Andy Warhol, Paul Morrissey und Gus Van Sant. In "Swan Song" (ONE, 10. August) ist er in einer seiner seltenen Hauptrollen zu sehen: Pat Pitsenbarger war einst der Lieblingsfriseur der Schönen und Reichen, jetzt lebt er in einer Seniorenwohnanlage irgendwo in Ohio. Nach dem Tod einer früheren Kundin macht er sich auf den Weg, um ihren letzten Wunsch zu erfüllen.
Bildrechte:rbb/Salzgeber