"Wo seid ihr? Die Blachs. Die Geschichte einer jüdischen Familie" NDR Filmteam jahrelang auf Spurensuche gegen das Vergessen
Als die Stralsunderin Friederike Fechner mit ihrem Mann 2012 ein historisches Giebelhaus kauft, ahnt sie nicht, worauf sie sich eingelassen hat. Wer hat einmal in diesem alten Haus gelebt? Was steckt hinter dem ehemaligen jüdischen Lederwarengeschäft? Fechner macht sich auf die Suche und gerät in einen Sog.
Die Cellistin stößt auf das Schicksal der jüdischen Großfamilie Blach im Nationalsozialismus. Ein Sohn der Blachs hat den Holocaust überlebt: Friedrich. Von diesem Fund ausgehend beginnt Friederike Fechner mit einer jahrelangen Detektivarbeit. Davon erzählt die NDR Eigenproduktion "Wo seid ihr? Die Blachs. Die Geschichte einer jüdischen Familie", die am 15. November um 21 Uhr im NDR Fernsehen ausgestrahlt wird.
Oft sind Erinnerungen an Opferschicksale aus der Nazi-Zeit ausgelöscht oder niemand spricht über sie. Der Film ist ein Plädoyer gegen das Vergessen und eine Annäherung für Hinterbliebene und Nachfahren.
Autorin Anne Gänsicke: "Ich bin schon lange der Überzeugung, dass die Dinge so lange erzählt werden müssen, bis alle Wunden angeschaut sind und für jeden sichtbar an der Luft heilen können. Die Arbeit zu diesem Film hat mich noch deutlich bestärkt darin."
Friederike Fechners aufwühlende Reise führt durch Archive, von Stralsund über Amsterdam nach New York und auch in das ehemalige Konzentrationslager Ravensbrück. Am Ende kommt es zu bewegenden Begegnungen von Verwandten, die bisher nichts voneinander wussten und sich ohne diese akribische Spurensuche nie gefunden hätten.
Friederike Fechner erzählt, dass auch sie in ihrer Familie Sprachlosigkeit erfahren habe - zum Thema Holocaust sei geschwiegen worden. "Das hat vielleicht auch ein besonderes Interesse hervorgerufen, weil ich immer fand, da muss ich irgendwie hinterhaken und das ist nicht so wie ich es gerne hätte. Dass man geschichtliche Fakten totschweigt oder nur einseitig betrachtet. Genau deshalb ist es wichtig, diese Geschichte zu erzählen."
Einer der Protagonisten im Film ist der KZ-Überlebende Peter Weishut, der im April 2023 verstorben ist. Er hat sich für den Film zum ersten Mal überwunden, über das zu sprechen, was er als Kind in Bergen-Belsen erlebt hat: "Es ist jetzt erst ein Thema geworden, nachdem ich Kontakt habe mit Friederike. Sonst hätten wir überhaupt nicht drüber geredet."
Die Erstaufführung des Films fand im Mai 2023 beim Filmkunstfest Schwerin statt. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei Birgit Müller; weitere Beteiligte im NDR sind Mike-Thomas Römisch/Hans Tanz/Maximilian Pilz (Kamera), Maximilian Pilz (Ton) sowie Gaby Biesterfeld/Vivian Krex (Schnitt). "Wo seid ihr? Die Blachs. Die Geschichte einer jüdischen Familie" wird am 15. November 2023 um 21 Uhr im NDR Fernsehen gezeigt und ab 10 Uhr bereits in der ARD Mediathek. Im Vorführraum des NDR Presseportals steht der Film vorab zur Ansicht bereit.
Bildrechte:NDR/Anne Gänsicke